Wurde am Anfang als Reportage verkauft (Marc Fischer war Journalist und Romanautor) und nachdem man wohl festgestellt hat, dass er einige Dinge etwas zurechtgebogen hat wird es jetzt unter dem Genre Roman einsortiert. Ich habe die ganze Zeit gedacht, warum lässt er Gilberto nicht in Ruhe, Gilberto möchte anscheinend niemand sehen außer engste Freunde. Und nur weil Marc Fischer die Klänge so berührt haben (wie Millionen andere) nimmt er sich das Recht raus übergriffig zu werden und verfolgt mit Bessenheit seine Obsession, dass Gilberto auf Fischers Gitarre Fischers Lieblingstück von Gilberto spielt. Wie schön, dass sich Gilberto nicht darauf einlässt.
Der Wahnsinn geht noch weiter: Nach dem Tod von Fischer macht sich Georges Gacho in dem Film Wo bist du, João Gilberto? auf den Spuren Fischers (beide landen in dem Badezimmer, wo angeblich Gilberto den Bossa Nova erfunden hat) erneut auf die Suche nach Gilberto, damit er Gacho das Lieblingsstück vorspielt. Der Film endet damit (Spoilerwarnung!), dass ein Freund von Gilberto in dem Hotelzimmer verschwindet, die Tür geschlossen wird, Gaucho auf dem Hotelflur steht und aus dem Zimmer die Töne seines Lieblingstückes erklingen. Bleibt nur zu hoffen, dass nur der Freund von Gilberto in dem Zimmer war und er eine CD von Gilberto aufgelegt hat.
Wer wissen möchte, wie es João Gilberto in seinen letzten Lebensjahren erging sollte lieber diese beiden Zeitungsartikel lesen (von den finanziellen Schwierigkeiten, der angeschlagenen psychischen Gesundheit Gilbertos und der Familienfehde wird im Buch/Film kaum berichtet, zwei Egomanen auf großer Fahrt).
Eine Fleißarbeit, es werden tausende von Namen genannt, wer mit wem wann welchen Whiskey getrunken hat, wer mit wem kurz oder länger liiert war, wer wem Nylonsaiten für die Gitarre gekauft hat usw. Sehr anekdotenhaft, bisher komplette Ausblendung der politischen Situation und des kulturellen Umfelds (bin erst auf S. 145, es wird gerade nur so nebenbei erwähnt, dass Kubitschek an die Macht gekommen ist, weil er mit irgendwem verwandt ist) und der Autor verliert sich gerne in ein girlandenreiches Sprachdesign und geht keiner flachen Pointe aus dem Weg.
So müssen Bücher über Musik verfasst sein: kritisch ggü. Verallgemeinerungen, genaue Analysen und Einbettung des politischen und kulturellen Hintergrundes. Eine ausführliche Würdigung der experimentellen Seite von Tom Zé rennt hier natürlich offene Türen ein ;).